Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung IPK Gatersleben, Andreas Baehring

Mit Trippelschritten zur EU-Gentechnikreform

Der Vorschlag Polens, wie die geltenden Regeln für gentechnisch veränderte Pflanzen künftig angepasst werden könnten, habe unter den 27 EU-Mitgliedstaaten am Freitag die nötige qualifizierte Mehrheit gefunden, teilte die polnische Ratspräsidentschaft mit. Belgien habe aber Vorbehalte erklärt, auch Deutschland fordert Nachbesserungen. Ende April sollen in einem sogenannten Trilog Gespräche mit Europäischem Parlament, Rat und EU-Kommission starten, um eine endgültige Gesetzesvorlage zu erarbeiten.

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Die Verfahrenswege der EU sind kompliziert und für den Beobachter oft unergründlich. Nun hat der Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft zur Anpassung der geltenden Vorschriften für neue gentechnische Verfahren (NGT) in der EU im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU (AStV) die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht. Dies teilte die polnische Ratspräsidentschaft am Freitag nach der Sitzung mit. Belgien und Deutschland äußerten jedoch Vorbehalte und fordern Nachbesserungen. Ende April sollen dann die entscheidenden Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission und dem Rat beginnen, um einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Entwürfen zu finden.

Im AStV erfolgte keine formelle Abstimmung, sondern eine Abfrage der ablehnenden Stimmen. Sechs Staaten, darunter Österreich und Ungarn, lehnten den Entwurf ab, während sich Deutschland und Bulgarien enthielten. Die verbleibenden 19 Staaten wurden als Befürworter gewertet, auch wenn sie keine ausdrückliche Zustimmung signalisierten. Kritik wurde an der mangelnden Transparenz des Verfahrens geäußert. Laut Hochrechnungen repräsentieren die zustimmenden Staaten rund 69 Prozent der EU-Bevölkerung, womit die erforderliche Schwelle für eine qualifizierte Mehrheit nach der Vertretung der Bürger der EU-Mitgliedsländer von 65 Prozent knapp überschritten wurde.

Der aktuelle Entwurf hat eine lange Vorgeschichte und basiert weitgehend auf Vorschlägen, die schon von diversen früheren Ratspräsidentschaften vorgelegt wurden und dann regelmäßig keine Zustimmung fanden oder durch die zwischenzeitliche EU-Wahl blockiert wurden. Er enthält jedoch einige Änderungen: Anbieter von NGT-Pflanzen müssen nun vorab angeben, ob ihre Pflanzen patentiert sind oder eine Patentierung beantragt wurde. Dies war das zuletzt aufgekommene Gegnerargument, dass eine Patentierung nur den Großkonzernen diene und die mittelständischen Saatgutunternehmen behindern würde. Nun soll eine EU-Datenbank solche Patente zentral erfassen. Hier fragt man sich, warum die Daten des Europäischen Patentamtes nicht ausreichen sollten. Zudem können Mitgliedstaaten den Anbau von NGT-2-Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet untersagen oder Koexistenzmaßnahmen erlassen. Pflanzen mit Herbizidresistenz werden automatisch in die strengere Kategorie NGT-2 eingeordnet. Für NGT-1-Pflanzen, die als ähnlich zur konventionellen Züchtung betrachtet werden und um deren Entwicklung und Inverkehrbringen es mit der neuen CRISR/Cas-Technologie im wesentlichen geht, entfällt hingegen die Zulassungspflicht.

Während Befürworter der Reform betonen, dass sie Innovationen in der Landwirtschaft fördert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert und zur Ernährungssicherheit beiträgt, warnen Kritiker vor unzureichenden Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitspflichten. Das Europäische Parlament fordert daher, dass auch NGT-1-Pflanzen entlang der gesamten Lebensmittelkette gekennzeichnet und nicht patentiert werden dürfen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert zusätzliche Regelungen zur Sicherstellung der gentechnikfreien Landwirtschaft.

Eine abschließende Regelung wird nach den anstehenden Trilog-Verhandlungen erwartet. Die Position der zukünftigen deutschen Regierung zur Agrogentechnik könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen, wird aber in den Koaltionsverhandlungen erst festgelegt. Die Reform der Regelung der Nutzung von genmodifizierenden Technologien sollte die Europäische Union in die Lage versetzen, mit anderen führenden Nationen in der Saatgutoptimierung gleichzuziehen. Man ist mit der Abstimmung im Rat nun zwar einen Schritt weiter, steht in den allgemeinen Verhandlungen aber noch immer im Kreuzfeuer der Argumente und Interessengruppen von Befürwortern und Gegnern, oder wie es Fußballer Rudi Völler einmal formulierte: „Zu fünfzig Prozent haben wir es geschafft, aber die halbe Miete ist das noch nicht.“

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